Gustav-Heinemann-Gesamtschule Essen: Wie Architektur den Wandel im Quartier begleitet

Ein Schulneubau zwischen Bildungsauftrag, Stadtteilarbeit und Low-Tech-Prinzip – zu besichtigen auf der SCHULBAU Messe Essen am 25. September.

30. Juli 2025
Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Essen | © Helin Bereket

Der Umbau des Ruhrgebiets ist längst kein rein ökonomisches Projekt mehr. Wer über Nachnutzung, Dekarbonisierung und neue Stadtbilder spricht, muss sich der Frage stellen, wie Menschen in postindustriellen Quartieren künftig lernen, leben und sich begegnen. Mit der Gustav-Heinemann-Gesamtschule ist in Essen-Schonnebeck ein Bildungsort beheimatet, der sich städtebaulich und programmatisch öffnet, statt auf den Rückzug ins Schulinnere zu setzen. Das architektonische Konzept stammt von sehw architektur in Berlin. Der Neubau versteht sich als strukturgebende Antwort auf einen Stadtteil im Umbruch – und als Einladung zum Mitdenken und Mitgestalten.

Bildungscampus mit Doppelfunktion

Die Schule ist für rund 1.300 Schülerinnen und Schüler entworfen worden – aber auch das Quartier rund um die ehemalige Arbeitersiedlung profitiert unmittelbar: Stadtteilbibliothek, Aula, Forum, Mensa und Fachräume sind öffentlich zugänglich. Die Anlage begreift sich damit als urbanes Geflecht, das schulisches und nachbarschaftliches Leben bewusst miteinander verzahnt. Der Vorplatz am Haupteingang wird zum Schwellenraum zwischen Stadt und Schule. Skaten, Biken, Treffen, Diskutieren – all das ist hier vorgesehen. Selbst das Denkmal einer überdimensionierten Hornbrille, eine Anspielung auf den Namensgeber Gustav Heinemann, wird Teil dieser gebauten Willkommensgeste.

Der Schulboulevard als Rückgrat

Städtebaulich löst sich der Gebäudekörper in einzelne Bauvolumen auf, die über einen zentralen „Schulboulevard“ miteinander verbunden sind. Dieser gliedert das Raumgefüge entlang einer Nord-Süd-Achse und schafft Orientierung. Die Clusterstruktur folgt einem modularen System: Jahrgänge werden zu eigenständigen Raumfamilien gruppiert, jeweils mit eigenen Höfen, Differenzierungszonen und Lernbereichen. Die Klassenräume sind über eine flexible Mittelzone verbunden, die sich geöffnet in Gruppenflächen und informelle Aufenthaltsräume verwandeln kann. Außen- und Innenräume sind dabei eng miteinander verzahnt, Sichtbeziehungen und Tageslichtzugänge strukturell mitgedacht.

Materialwahl, Lichtführung, Farbkonzept

Das Fassadenbild wird durch einen hellen, geschlämmten Klinker geprägt. Großzügige Fensteröffnungen gliedern die Gebäudevolumen, rahmen die Clusterzonen und sorgen für natürlichen Lichteinfall. Holz spielt im Inneren eine entscheidende Rolle: Holzlamellen an den Decken verbessern die Raumakustik, Möbel aus Birkensperrholz setzen warmtonige Akzente, ergänzt durch Industrieparkett und Holz-Glas-Elemente in Türen. Orientierung und Atmosphäre erzeugt ein Farbkonzept, das sich auf Le Corbusiers Polychromie Architecturale von 1959 bezieht. Jedes Cluster wird durch eine eigene Farbwelt definiert – umgesetzt in grafische Symbole, Akzentwände und Treppenhäuser.

Nachhaltigkeit ohne Technikfetisch

Der Schulneubau unterschreitet die Anforderungen der EnEV 2016 um 20 Prozent und wurde in Anlehnung an Passivhausstandards konzipiert. Das Energiekonzept basiert auf Low-Tech-Prinzipien: Stoßlüftung, Nachtauskühlung, außenliegender Sonnenschutz und Gründächer bilden den funktionalen Rahmen. Eine Zertifizierung nach BNB Silber ist in Vorbereitung. Geplant wurde ein robustes und wirtschaftliches Tragwerk aus Mauerwerk und Stahlbeton. Die nichttragenden Trennwände zwischen den Klassenräumen ermöglichen flexible Raumaufteilungen im laufenden Betrieb – eine Voraussetzung für dauerhaft anpassungsfähige Lernumgebungen.

Schule als öffentlicher Ort

Im Mittelpunkt der räumlichen Organisation steht das zweigeschossige Forum – es verbindet Bibliothek, Aula, Mensa und Mehrzweckräume zu einem zusammenhängenden Zentrum. Hier soll mehr als nur gelernt werden: Hier entsteht Öffentlichkeit. Der Bau versteht sich als lernende Struktur – mit offenen Übergängen, nutzungsneutralen Zonen und architektonischem Spielraum für kommende Veränderungen. Die Gustav-Heinemann-Gesamtschule markiert damit neben einem bildungspolitischen Meilenstein für die Stadt Essen auch einen architektonischen Beitrag zur sozialen Transformation des Ruhrgebiets.

Vor-Ort-Besichtigung im Rahmen der SCHULBAU Salon & Messe in Essen

Am zweiten Veranstaltungstag der SCHULBAU Salon & Messe in Essen, dem 25. September 2025, führt eine Exkursion zur Gustav-Heinemann-Gesamtschule. Teilnehmende erhalten die Gelegenheit, das Projekt im Maßstab 1:1 zu erleben und sich mit den Planenden direkt vor Ort auszutauschen. Die Besichtigung ist nicht im Messeticket enthalten, Tickets können hier separat im Ticketshop der Messe erworben werden: KLICK!

Bautafel

  • Projekt: Gustav-Heinemann-Gesamtschule
  • Ort: Essen-Schonnebeck, Deutschland
  • Bauherr: Stadt Essen Immobilienwirtschaft
  • Architektur: sehw architektur GmbH, Berlin
  • Design Team: Matthias Gall, Maija Gavare, Karoline Hietzschold, Martin Krüger-Holdack, Víctor Maquílon Yelo, Eva Poggenklaß, Birgit Winkelmann
  • Typologie: Gesamtschule, Bildungsbau
  • Fertigstellung: 2021
  • Fläche: 18.610 m² BGF
  • Baukosten: ca. 56,8 Mio. Euro

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